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05. Februar 2003. Nachrichten: Wirtschaft & Soziales - Indien Ein anderes Asien ist möglich

Erster Asiatischer Sozialgipfel in Hyderabad

"Eine andere Welt ist möglich." Unter diesem Motto fand Ende Januar bereits zum dritten Mal das Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre statt. Die Heimatstadt des neuen brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio "Lula" da Silva, Hoffnungsträger der Globalisierungskritiker, ist seit dem Jahr 2000 Schauplatz dieser Großveranstaltung. Und zwischen dem 23. und 28. Januar hatten sich wieder über 100.000 Menschen aus aller Welt versammelt, um gemeinsam Kritik an der kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung und den Kriegsvorbereitungen der USA zu üben.

Im nächsten Jahr soll das Weltsozialforum nach Indien umziehen. Und quasi als Generalprobe veranstalteten die zukünftigen Gastgeber vor einigen Wochen den ersten Asiatischen Sozialgipfel im südindischen Hyderabad. Doch Hyderabad war mehr als nur die "Generalprobe". Im Januar 2002 hatten die Delegierten in Porto Alegre vorgeschlagen, dass durch regionale Sozialforen die Mobilisierung globalisierungskritischer Bewegungen vorangebracht werden sollte. Und nach dem Europäischen Sozialforum, das letzten November in Florenz stattfand, war das Asiatische Sozialforum nun das zweite regionale Forum weltweit.

In Hyderabad, der Hauptstadt des Unionsstaates Andhra Pradesh, hatten sich zwischen dem 2. und 7. Januar mehr als 14.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Indien versammelt. Zusammen mit einigen hundert Delegierten aus anderen asiatischen Ländern und einer Hand voll aus Europa und Nordamerika diskutierten sie in 160 Seminaren und 164 Workshops Kernfragen wie "Ist eine andere Welt möglich?" oder "Was bringt die Globalisierung den einfachen Menschen?". Noch nie zuvor hatte sich in Asien ein so breites Spektrum von Nichtregierungsorganisationen, sozialen Bewegungen und Gewerkschaften, von Friedens- und Umweltschutz, von Frauenverbänden und Menschenrechtsorganisationen bis hin zu führenden Akademikern zusammengefunden.

Durchgängig war die Forderung, "die wirtschaftlichen und sozialen Rechte gegen den wachsenden Einfluss privilegierter Interessen" zu stärken, wie Jean Dreze von der Delhi School of Economics erklärte. Und dieser Kampf um elementare Rechte gehe zunehmend von unten aus. "Wir können nicht zur UNO oder zur Welthandelsorganisation (WTO) fahren und für unsere Rechte kämpfen - wir streiten uns mit unserer Landesregierung", sagte Aruna Roy vom populären Mazdoor Kisan Shakti Sangathan (MKSS), einer Bewegung aus Rajasthan, die vor allem durch seine Right-to-Information-Kampagne bekannt wurde. Nicht wenige Teilnehmer verstanden das Asiatische Sozialforum aber auch als Beitrag zum Aufbau einer "Front des Südens gegen imperialistische, auf das Kapital und den Markt zugeschnittene Globalisierung".

Auf der Abschlusskonferenz geizte auch Indiens Expräsident Kocheril Raman Narayan nicht mit Kritik. Die Globalisierung fresse sich schonungslos in das Leben der Menschen hinein. WTO und Internationaler Währungsfonds (IMF), die sich in der neuen Weltwirtschaftsordnung wie koloniale Herrscher aufführten, zwängen den Entwicklungsländern Regeln auf, ohne die Bedingungen in jedem Land zu berücksichtigen. Narayan betonte: "Wir glauben, die Welt mit ihren verschiedenen Religionen und Nationalitäten ist pluralistisch. Wir wollen, dass es so bleibt. Wir wollen nicht die Globalisierung einer einzigen Macht. Wir wollen multipolar sein."

Zugegeben, Narayans Appell von Hyderabad hört sich angesichts der weltweiten Probleme ein wenig hilflos an. Doch nur wenige Wochen später verschärfte seine Landsfrau Arundhati Roy in Porto Alegre den Ton. In einer umjubelten Rede forderte sie zum "zivilen Ungehorsam" gegen die Politik der USA auf: "Wir sind viele, sie sind wenige. Sie brauchen uns mehr als wir sie. Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist unterwegs. Und an einem ruhigen Tag kann ich bereits ihr atmen hören."

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